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09.07.2021
Nach meinem letzten Impuls bekam ich eine Mail mit diesem prägnanten Anliegen, das ich nach Rücksprache gern anonymisiert wiedergebe und meine Gedanken dazu in die Runde gebe:
Was tun, wenn ich sehr wütend auf jemand bin? Wie werde ich die Wut los? Klar erst mal körperlich abreagieren, allerdings ist sie dann trotzdem nicht weg. Wie komme ich zum Verzeihen, zum Akzeptieren, zum “Loslassen”? Ich möchte ja diese “unschönen” Erlebnisse nicht weiter mit mir rumtragen. Manchmal auch nicht meine Reaktion auf diese. Da war ich ja dann oft auch nicht so menschlich/christlich!
Also? Wie bleibe ich weiter noch ein wenig mehr herzoffen??
Ja, mit all unserem Mühen, Abreagieren und Wiedergutseinwollen ist die Situation nur erträglicher, aber noch nicht geheilt.
Ich möchte hier über eine Lebensberatungsweise hinausgehen und nach dem christlichen Weg fragen, damit umzugehen. Er ist grundlegend und ebenso verheißungs- wie anspruchsvoll.
Ganz wichtig vorne weg:
Es geht bei dieser christlich-göttlichen Lösung nie und auf keinen Fall um meine Leistung, sondern um eine Möglichkeit, die von Gott selbst her sich eröffnen kann!
in diesem Sinne gelesen folgendes kurzes Jesuswort aus dem Matthäusevangelium (18):
„Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich sündigt? Bis zu siebenmal?
Jesus sagte zu ihm: Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal.“
Ach, Petrus meint schon sehr weit zu gehen mit seinem Angebot: „Bis zu siebenmal.“
Tja, und Jesus sprengt dieses begrenzte Denken und spricht von einer Vergebung, die unser menschliches Empfinden und erst recht Vermögen übersteigt.
Und in der Bergpredigt sagt er einmal:
„Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, was tut ihr damit Besonderes?“
So steht es in unserer gängigen Übersetzung. Aber dort steht für „Besonderes“ das Wort „Überfließendes“ – und das ist die entscheidende Spur:
Jesus spricht aus der Erfahrung eines Stromes der Fülle an Liebe und Vergebung von Gott selbst heraus. Sein ganzes Verkünden will dies Eine bewirken:
Dass wir diese göttliche Möglichkeit sehen, ergreifen und geschehen lassen lernen.
Wirklich aus der Tiefe unseres Herzens heraus vergeben, unsere Wut, Hass, Verletztheit wirklich loslassen und darüber hinaus ganz frei lieben:
Das steht nicht in unserer Macht!
Wenn wir das mit Disziplin zu erzwingen versuchen oder meinen, aus moralischem Druck des christlichen Gewissens das irgendwie doch hinbekommen und leisten zu müssen, vergewaltigen wir uns nur.
Nein, das ist ein Werk jener Liebesmacht, für die wir uns laut Jesus öffnen können, damit sie uns erfüllt und durch uns in dieser Welt zur Wirkung kommt.
Dazu eine kleine Begebenheit aus dem Leben eines der christlichsten Menschen, die ich kenne: Mahatma ( = die große Seele) Gandhi:
Hindus und Muslime liefern sich fürchterliche Schlachtereien. Er liegt fastend auf einem Lager mitten im Streitgebiet. Ein hinduistischer Vater kommt ohnmächtig vor Wut völlig aufgebracht, aber auch in hilflosem Hass zu ihm und sagt:
„Muslime haben meinen Sohn vor meinen Augen getötet. Wie soll ich damit weiterleben? Was soll ich tun außer blinde Rache üben und weiter töten?“
Und Gandhi sagt ihm ins Gesicht:
„Nimm ein Kind zur Adoption an und ziehe es auf wie Dein eigenes. Aber achte darauf, dass es ein muslimisches ist.“ Der Mann bricht weinend zusammen.
Dafür können und müssen wir uns - um Gottes willen für unser und der Welt Heil - nur Schritt für Schritt öffnen in einem letzten Vertrauen.
Ich habe es erlebt, wie eine Frau tagelang in Exerzitien betend darum ringt, ihrem schon verstorbenen Vater vergeben zu können und sich dann das Wunder ereignet, der Knoten sich löst und sie aus reinem Herzen sagen kann: „Ja, ich kann Dir vergeben.“
Sie fühlte sich wie neu geboren.
In diesem Sinne: Bleiben wir herzoffen!
Mit ebensolchem Gruß von Johannes Lieder
Köln, den 9. Juli 2021
Johannes Lieder - 17:17 | Kommentar hinzufügen
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