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02.04.2021
Zukunftsfähige Religionen und Kirchen mündiger Menschen von heute müssen dem freiheitlichen Bewusstsein moderner Gesellschaften dynamisch vorangehen statt ihnen immer nur hinterherzulaufen oder gar entgegenzutreten – und dies in Verbindung mit ihrem Wesenskern: Der existenziellen Glaubenstiefe.
Daher möchte ich das lateinische Wort „Exodus“ für Ausweg oder Ausgang zuerst mit dem grundlegenden Zitat von Immanuel Kant (1724 – 1804) aus seinem Aufsatz „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ verbinden:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Ersetzen wir die Worte „Ausgang“ durch „Exodus“ und „Verstand“ durch „Gottesunmittelbarkeit“, ergibt sich folgende spannende Ergänzung für eine zeitgemäße Spiritualität:
Spirituelle Aufklärung ist der Exodus des Menschen aus seiner selbstverschuldeten spirituellen Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seiner Gottesunmittelbarkeit ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel der Gottesunmittelbarkeit, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich ihrer ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Wage es, Dich Deiner angeborenen göttlichen Weisheit zu bedienen! ist also der Wahlspruch der spirituellen Aufklärung.
Diese mündige Anwendung von beidem, Verstand und ganzheitlicher Gottesbeziehung, gilt es, endlich auch religiös voll zu erfüllen.
Unser ganzes menschliches Potenzial im Verbinden mit der geheimnisvollen göttlichen Liebesmacht zu entfalten, ist unsere Verheißung, unsere Bestimmung und der Sinn unseres Lebens in und für diese Welt. Wie und wo uns das am besten gelingen kann, ist der Maßstab auch für unsere Religions- und Kirchenzugehörigkeit.
Gelingt uns dieses eigene und gottverbundene Gehen nicht, bleiben wir von außen und von anderen Menschen Geführte. Der kirchliche Jargon dafür ist der von Schafen, die als solche dann notwendig Hirten brauchen.
Mein Handeln muss ich ganz allein verantworten. Das meint die Letztinstanz des Gewissens, auf die ich hören muss.
Alle anderen Worte wie die der Evangelisten, der Weisen der frühen Kirche mit Ihren damals gut bedachten Glaubenssätzen, der spirituell Erfahrenen aller Zeiten, selbst die von Buddha, Mohammed oder Jesus von Nazareth: Sie geben kostbare Orientierung, aber nehmen mir nicht meine Verantwortung ab. Die Wahrheit zum Leben, das heißt, das der Liebe Gemäße, ist nicht in Konservendosen verpackt, sondern muss immer neu frisch für heute entdeckt werden: Individuell und dann notwendig auch im herzoffen suchenden Austausch mit anderen. Kein Mensch und kein religiöses System darf mir seine Hilfe aufdrängen oder gar als heilsnotwendig aufzwingen.
Auf diesem Hintergrund können wir auch die biblische Erzählung vom Exodus für uns aktualisieren:
Dieser Aufbruch der ersten Israeliten aus der Knechtschaft unter dem Pharao Ägyptens im gleichnamigen 2. Buch der Bibel ist auch ein solcher Ausgang in die „Wüste“ der äußerlich führungslosen größeren Freiheit mit all ihren Schwierigkeiten und Gefahren. Auch mit der Versuchung, sich zurückzuwenden zu den „Fleischtöpfen“ der Abhängigkeit. Aber das wäre ein Jammer.
Uns kann kein Pharao, kein Papst oder Bischof ziehen lassen. Was uns im Unmündigen, im Unfreien und Herkömmlichen hält, sind andere Herrschermächte:
Welche sind es in meinem Leben? Die verinnerlichten Botschaften meiner Eltern oder Großeltern oder meiner Kirche, der Mainstream, Selbstzweifel, Angst, schlechtes Gewissen, Blindheit, Bequemlichkeit, Gewohnheit, Besitzstandswahrung, Konsumzwang oder andere Zwanghaftigkeiten, Alternativlosigkeit, Hoffnungslosigkeit…?
Öffnen wir uns immer mehr für die Befreiung: Es gibt eine stärkere Macht! Es lohnt sich, immer wieder zu ihr aufzubrechen. Es lohnt sich, meine eigene innere und göttliche Macht zu suchen. Da liegt das spirituelle Potenzial auch zur Lösung und Erlösung unserer globalen Probleme.
Religionen und Kirchen der Zukunft werden ein gemeinschaftlicher Erfahrungsraum mit kundiger Begleitung auf diesem Suchweg einer aufgeklärten Spiritualität sein oder sie werden nicht mehr sein.
Mehr dazu nächsten Freitag.
Bleiben Sie herzoffen!
Solche Grüße von Johannes Lieder
Köln, Ostersonntag, den 4. April 2021
Johannes Lieder - 22:56 | 1 Kommentar
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Herzlichen Dank für Ihr Mitgehen!
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